Wenn Eltern dieser Pflicht nicht oder nicht zum Wohle der Kinder nachkommen, muss der Staat den Schutz der Kinder gewährleisten. Dem hat der Gesetzgeber mit Einführung der Vormundschaft in unserer Rechtsordnung Rechnung getragen.
"Ein Minderjähriger erhält einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt sind." (§ 1773 Abs. 1 BGB)
Die Vormundschaft ist dem Elternrecht nachgebildet und orientiert sich an deren Inhalten. Die Aufgaben des Vormundes umfassen die gesamte Bandbreite der elterlichen Sorge. Der Vormund übt die gesetzliche Vertretung des Mündels aus und nimmt dessen Interessen wahr. Er ist als gesetzlicher Vertreter des Kindes oder des Jugendlichen, Empfänger einer Hilfe zur Erziehung und Beteiligter am Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII. Er übt das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII aus. Der Vormund ist ausschließlich dem Wohl des Mündels verpflichtet. Die wesentlichen Rechtsgrundlagen finden sich in den §§ 1773 - 1895 BGB. Der persönlich bestellte Vormund bzw. Pfleger hat Kontakt zu seinem Mündel und beteiligt das Kind oder den Jugendlichen in angemessener Weise an den zu treffenden Entscheidungen.
Es lassen sich zwei grundlegende Typen der "stellvertretenden" Sorge unterscheiden:
1.
Vormundschaft (entspricht allen Bereichen der elterlichen Sorge)
2.
Pflegschaft (umfasst lediglich einzelne Bereiche der elterlichen
Sorge, die den Sorgerechtsinhabern entzogen und auf einen
Pfleger
bzw. Ergänzungspfleger übertragen wurden)
Wann wird eine Vormundschaft / Pflegschaft eingerichtet?
Das BGB unterscheidet verschiedene Formen der Vormundschaft und Pflegschaft
Vormundschaft kraft Gesetzes
1.
Ruhen der elterlichen Sorge bei rechtlichem Hindernis, z.B. Kind
einer nicht verheirateten minderjährigen Mutter
(§§ 1673
Abs. 1,
1791 c Abs. 1 BGB)
2.
Ruhen der elterlichen Sorge mit Einwilligung zur Adoption (§
1751
Abs. 1 BGB)
Vormundschaft kraft richterlicher Anordnung
1.
Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis, z.B.
unbekannter Aufenthalt, Inhaftierung (§§ 1674, 1773
BGB)
2.
Tod des sorgeberechtigten Elternteils oder der sorgeberechtigten
Eltern (§ 1773 Abs. 1 BGB)
3.
Entzug der elterlichen Sorge bei Gefährdung des Kindeswohls
(§ 1666
BGB)
4.
Familienstand des Kindes oder Jugendlichen ist nicht zu ermitteln
(
§1773 Abs. 2 BGB)
Pflegschaft kraft richterlicher Anordnung
1.
Ein Pfleger wird bei tatsächlicher oder rechtlicher
Verhinderung der
Eltern oder des Vormundes für einzelne Angelegenheiten der
elterlichen Sorge (Vertretungseinschränkungen
gemäß §§ 1629 Abs.
2, 1795, 1796 BGB wegen Interessenkollision) und nach Entzug
einzelner Teile des Sorgerechts gemäß
§§ 1666 und 1667 BGB
bestellt.
Das
Jugendamt als Amtsvormund bzw. -pfleger soll nur bestellt
werden,
wenn keine Einzelperson hierfür vorhanden ist.
Aufgabenbereiche der Vormundschaft
Aufenthaltsbestimmung
1.
Bestimmung von Wohnort und Wohnung (z.B. Abschluss von
Mietverträgen)
2.
Unterbringung bei Pflegepersonen, Verwandten oder Einrichtungen
der
Jugendhilfe
3.
Wahrnehmung der Meldepflichten (An-, Um- und Abmeldung beim
Einwohnermeldeamt, Beantragung von Sperrvermerken im
Melderegister)
4.
Beantragung von Ausweisen
5.
Regelung ausländerrechtlicher Angelegenheiten
Absicherung der notwendigen medizinischen Betreuung
1.
Verantwortung für die Gesundheit
2.
Sorge für die notwendige medizinische und therapeutische
Betreuung
3.
regelmäßige Gesundheitsvorsorge
4.
Zustimmung zu Operationen, Impfungen, Narkosen, Bluttransfusionen
etc.
5.
Veranlassung notwendiger medizinischer Untersuchungen
6.
Beantragung medizinischer Hilfsmittel
Schule und Ausbildung
1.Entscheidungsfindung
zum Schul- und Berufsweg
2.
Wahl des Kindergartens und der Schule
3.
Begleitung des Kindes im Schul- und Bildungsweg durch Kontakte zu
Lehrern und Ausbildern
4.
Auswahl von Ausbildungsstellen und Abschluss von
Ausbildungsverträgen
Erziehung, Weltanschauung und Religion
1.
Bestimmung der Erziehungsziele
2.
Beaufsichtigung der Erziehung
3.
Antragstellung auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung
4.
Wahrnehmung des Wunsch- und Wahlrechtes gem. § 5 SGB VIII
5.
Beteiligung am Hilfeplanverfahren als Personensorgeberechtigter
gemäß
§ 36 SGB VIII
6.
Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Mündels
7.
Einwilligung zu Taufe, Kommunion, Konfirmation, Firmung,
Jugendweihe
1.
Klärung der Vaterschaft durch Zustimmung zur Anerkennung
gemäß §
1595 Abs. 2 BGB oder Vertretung des Mündels im
gerichtlichen
Anfechtungs- oder Feststellungsverfahren nach §§
1600, 1600e BGB
2.
Mitwirkung im Adoptionsverfahren durch Einwilligung zur Adoption
gemäß § 1746 BGB bzw. Antragstellung auf
Ersetzung der
Einwilligung der Eltern
gemäß § 1748 BGB
3.
Vertretung bei der Namensänderung gemäß
§§ 1616 ff., 1757 BGB
Unterhalt und Vermögenssorge
1.Geltendmachung
und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen
einschließlich der
Vertretung des Mündels im gerichtlichen
Unterhaltsverfahren,
außer
bei stationären Hilfe zur Erziehung nach §§
27 ff. SGB VIII (s. §§
91 ff. SGB VIII)
2.
Anlegen eines Vermögensverzeichnisses
3
Anlage und Verwaltung des Mündelvermögens
4.
Versicherung, z.B. durch Abschluss von Versicherungsverträgen
5.
Versorgung, z.B. durch Geltendmachung von Renten- und
Versicherungsansprüchen
6.
Beantragung von Sozialleistungen
7.
Regelung von Erbschaftsangelegenheiten
Sonstige
1.
Vertretung bei Rechtsgeschäften
2.
Teilnahme am Strafverfahren als gesetzlicher Vertreter des
Mündels
3.
Regelung des Umgangs mit Eltern und Bezugspersonen
4.
Antragstellung auf Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung, wenn
der
Minderjährige über die Volljährigkeit hinaus
eine
Unterstützung
benötigt.
Verantwortung und Haftung des Vormundes und Pflegers
Der Vormund bzw. Pfleger vertritt sein Mündel in eigener Verantwortung und ist in seinem Beurteilungsspielraum für Entscheidungen nur dem Kindeswohl und der Einhaltung rechtlicher Vorgaben verpflichtet. Die Fachaufsicht übt das zuständige Familiengericht aus.
Für bestimmte Rechtsgeschäfte, wie z.B. Einwilligung zur Taufe, Abschluss von Ausbildungsverträgen, benötigt der Pfleger bzw. Vormund die Einwilligung des Familiengerichtes.
Verursacht der Vormund bzw. Pfleger durch Verletzung seiner Pflichten einen Schaden, hat er dafür entsprechend zu haften. Für den Fall von Schadensersatzansprüchen hat der Vormund/Pfleger eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.
Weitere gesetzliche Grundlagen
Recht des Kindes/ Jugendlichen auf Schutz, Erziehung und Förderung (§ 1 SGB VIII)
Recht des Kindes/Jugendlichen auf gewaltfreie Erziehung (§ 1631 (2) BGB)
Recht des Kindes/Jugendlichen auf Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen und Abbau von Benachteiligung (§ 9 SGB VIII)
Recht auf Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses und der Weltanschauung ( § 1801 BGB)
Recht des Kindes/Jugendlichen auf angemessene Beteiligung und Information, bezogen auf die Angelegenheiten, die das Kind oder den Jugendlichen betreffen
Recht auf Berücksichtigung des wachsenden Bedürfnisses des Kindes/Jugendlichen zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln ( § 1626 BGB)
Recht des Kindes/Jugendlichen auf Umgang mit Vater, Mutter, Geschwistern, Großeltern, Verwandten, ggf. Stiefelternteilen, zu Personen, zu denen das Kind/der Jugendliche Bindungen hat, wenn dies für seine Entwicklung förderlich ist (§ 18 (3) SGB VIII)