Grundlagen der Vormundschaft & Pflegschaft

"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft" (Art. 6 Abs. 2 GG, § 1 Abs. 1 SGB VIII)

Wenn Eltern dieser Pflicht nicht oder nicht zum Wohle der Kinder nachkommen, muss der Staat den Schutz der Kinder gewährleisten. Dem hat der Gesetzgeber mit Einführung der Vormundschaft in unserer Rechtsordnung Rechnung getragen.

"Ein Minderjähriger erhält einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt sind." (§ 1773 Abs. 1 BGB)

Die Vormundschaft ist dem Elternrecht nachgebildet und orientiert sich an deren Inhalten. Die Aufgaben des Vormundes umfassen die gesamte Bandbreite der elterlichen Sorge. Der Vormund übt die gesetzliche Vertretung des Mündels aus und nimmt dessen Interessen wahr. Er ist als gesetzlicher Vertreter des Kindes oder des Jugendlichen, Empfänger einer Hilfe zur Erziehung und Beteiligter am Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII. Er übt das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII aus. Der Vormund ist ausschließlich dem Wohl des Mündels verpflichtet. Die wesentlichen Rechtsgrundlagen finden sich in den §§ 1773 - 1895 BGB. Der persönlich bestellte Vormund bzw. Pfleger hat Kontakt zu seinem Mündel und beteiligt das Kind oder den Jugendlichen in angemessener Weise an den zu treffenden Entscheidungen.

Es lassen sich zwei grundlegende Typen der "stellvertretenden" Sorge unterscheiden:

1. Vormundschaft (entspricht allen Bereichen der elterlichen Sorge)
2. Pflegschaft (umfasst lediglich einzelne Bereiche der elterlichen Sorge, die den Sorgerechtsinhabern entzogen und auf einen  
    Pfleger bzw. Ergänzungspfleger übertragen wurden)

Wann wird eine Vormundschaft / Pflegschaft eingerichtet?

Das BGB unterscheidet verschiedene Formen der Vormundschaft und Pflegschaft

Vormundschaft kraft Gesetzes

1. Ruhen der elterlichen Sorge bei rechtlichem Hindernis, z.B. Kind einer nicht verheirateten minderjährigen Mutter (§§ 1673
    Abs. 1, 1791 c Abs. 1 BGB)
2. Ruhen der elterlichen Sorge mit Einwilligung zur Adoption (§ 1751 Abs. 1 BGB)

Vormundschaft kraft richterlicher Anordnung

1. Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis, z.B. unbekannter Aufenthalt, Inhaftierung (§§ 1674, 1773 BGB)
2. Tod des sorgeberechtigten Elternteils oder der sorgeberechtigten Eltern (§ 1773 Abs. 1 BGB)
3. Entzug der elterlichen Sorge bei Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB)
4. Familienstand des Kindes oder Jugendlichen ist nicht zu ermitteln ( §1773 Abs. 2 BGB)

Pflegschaft kraft richterlicher Anordnung

1. Ein Pfleger wird bei tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung der Eltern oder des Vormundes für einzelne Angelegenheiten der elterlichen Sorge (Vertretungseinschränkungen gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1795, 1796 BGB wegen Interessenkollision) und nach Entzug einzelner Teile des Sorgerechts gemäß §§ 1666 und 1667 BGB bestellt.

Das Jugendamt als Amtsvormund bzw. -pfleger soll nur bestellt werden,
wenn keine Einzelperson hierfür vorhanden ist.


Aufgabenbereiche der Vormundschaft

Aufenthaltsbestimmung

1. Bestimmung von Wohnort und Wohnung (z.B. Abschluss von Mietverträgen)
2. Unterbringung bei Pflegepersonen, Verwandten oder Einrichtungen der Jugendhilfe
3. Wahrnehmung der Meldepflichten (An-, Um- und Abmeldung beim Einwohnermeldeamt, Beantragung von Sperrvermerken im
    Melderegister)
4. Beantragung von Ausweisen
5. Regelung ausländerrechtlicher Angelegenheiten

Absicherung der notwendigen medizinischen Betreuung

1. Verantwortung für die Gesundheit
2. Sorge für die notwendige medizinische und therapeutische Betreuung
3. regelmäßige Gesundheitsvorsorge
4. Zustimmung zu Operationen, Impfungen, Narkosen, Bluttransfusionen etc.
5. Veranlassung notwendiger medizinischer Untersuchungen
6. Beantragung medizinischer Hilfsmittel

Schule und Ausbildung

1.Entscheidungsfindung zum Schul- und Berufsweg
2. Wahl des Kindergartens und der Schule
3. Begleitung des Kindes im Schul- und Bildungsweg durch Kontakte zu Lehrern und Ausbildern
4. Auswahl von Ausbildungsstellen und Abschluss von Ausbildungsverträgen

Erziehung, Weltanschauung und Religion

1. Bestimmung der Erziehungsziele
2. Beaufsichtigung der Erziehung
3. Antragstellung auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung
4. Wahrnehmung des Wunsch- und Wahlrechtes gem. § 5 SGB VIII
5. Beteiligung am Hilfeplanverfahren als Personensorgeberechtigter gemäß § 36 SGB VIII
6. Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Mündels
7. Einwilligung zu Taufe, Kommunion, Konfirmation, Firmung, Jugendweihe

Status und Name

1. Klärung der Vaterschaft durch Zustimmung zur Anerkennung gemäß § 1595 Abs. 2 BGB oder Vertretung des Mündels im
    gerichtlichen Anfechtungs- oder Feststellungsverfahren nach §§ 1600, 1600e BGB
2. Mitwirkung im Adoptionsverfahren durch Einwilligung zur Adoption gemäß § 1746 BGB bzw. Antragstellung auf Ersetzung der
     Einwilligung der Eltern gemäß § 1748 BGB
3. Vertretung bei der Namensänderung gemäß §§ 1616 ff., 1757 BGB

Unterhalt und Vermögenssorge

1.Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen einschließlich der Vertretung des Mündels im gerichtlichen
   Unterhaltsverfahren, außer bei stationären Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII (s. §§ 91 ff. SGB VIII)
2. Anlegen eines Vermögensverzeichnisses
3 Anlage und Verwaltung des Mündelvermögens
4. Versicherung, z.B. durch Abschluss von Versicherungsverträgen
5. Versorgung, z.B. durch Geltendmachung von Renten- und Versicherungsansprüchen
6. Beantragung von Sozialleistungen
7. Regelung von Erbschaftsangelegenheiten

Sonstige

1. Vertretung bei Rechtsgeschäften
2. Teilnahme am Strafverfahren als gesetzlicher Vertreter des Mündels
3. Regelung des Umgangs mit Eltern und Bezugspersonen
4. Antragstellung auf Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung, wenn der Minderjährige über die Volljährigkeit hinaus eine
     Unterstützung benötigt.

Verantwortung und Haftung des Vormundes und Pflegers

Der Vormund bzw. Pfleger vertritt sein Mündel in eigener Verantwortung und ist in seinem Beurteilungsspielraum für Entscheidungen nur dem Kindeswohl und der Einhaltung rechtlicher Vorgaben verpflichtet. Die Fachaufsicht übt das zuständige Familiengericht aus.

Für bestimmte Rechtsgeschäfte, wie z.B. Einwilligung zur Taufe, Abschluss von Ausbildungsverträgen, benötigt der Pfleger bzw. Vormund die Einwilligung des Familiengerichtes.

Verursacht der Vormund bzw. Pfleger durch Verletzung seiner Pflichten einen Schaden, hat er dafür entsprechend zu haften. Für den Fall von Schadensersatzansprüchen hat der Vormund/Pfleger eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Weitere gesetzliche Grundlagen